Die Schiffslände

Betrachtet man die Urmappe (1824 bis 1830) oder den Stadtplan aus 1901 in der Häuserchronik von Krackowizer und vergleicht diese mit dem Istzustand, sieht man sofort, dass es bei der Schiffslände seit 1904 gewaltige Veränderungen gegeben hat. Vor diesem Zeitpunkt gab es nämlich keine Schiffslände im heutigen Sinn. Die eigentliche Schiffslände (Anlegestelle der Schiffe – siehe nachstehendes Foto) im ursprünglichen Sinn lag ungefähr in der Bucht vor dem ehemaligen Parkhotel und dem Kriegerdenkmal, allerdings noch ohne die späteren Aufschüttungen für Hotelpark und für die heutige Straße entlang des Ufers (siehe Plan) und war ein flaches Naturufer und damit ein idealer Schiffs-Auszug für die Trauner und Plätten.
Aus der „Urmappe“

Aus dem Stadtplan von Krackowizer

Aus der aktuellen Katastralmappe

Schiffslände/Am Kalch 1808
Quelle: Keramik-Relief am Haus Schiffslände 10

Die Schiffslände 1840
Aquarell von Rudolf von Alt
Aus: Erich Bernard (Hrsg.): Der Traunsee - Mythos der Sommerfrische  2012 S. 22  

Die Entstehung der Schiffslände
Gmunden entwickelte sich als Kurstadt prächtig. Ein riesiger Besucheransturm im Zuge des Sommerfrische-Tourismus und ein daraus resultierender regelrechter „Bau-Boom“ entwickelten sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Esplanade mit dem Kaiser-Franz-Josef-Platz (errichtet ab 1851) war ein Besucher-Magnet. Deshalb entstand die Idee zur Errichtung einer „Spiegel-Promenade zur Esplanadeim Traundorf, sie bis zur Schwimmschule / Badeanstalt im Weyer (heute Schifffahrt Eder) zu führen und sogar den Seebahnhof zu verlegen.
Aber: Es gab damals noch keine ufernahe Promenade / keinen ufernahen Weg von der Traunbrücke zum Seebahnhof vorbei am Fischerei-Hafen Erricher. Um 1900 lagen die Häuser von der Traunbrücke bis zum Seebahnhof mit zwei Ausnahmen - Villa Sikhartsburg, dann Brunner, jetzt Neubau Kepplinger (Schiffslände 16) und „Erricher-Haus“ (heute Schiffslände 15) - noch direkt am Seeufer. Alle Häuser waren nur per Schiff bzw. zu Fuß über die schmale „Mauergasse“ erreichbar. Ein Weg führte am „Eisl-Haus“ und am „Stadtbräu“ (späteres Parkhotel, aber abgetragen) vorbei bis zum Seebahnhof-Gebäude (ebenfalls abgetragen).

Zusätzlich gab es hinter den Häusern mit den heutigen Hausnummern 5-10 einen schmalen Weg entlang der Klostermauer, der als Hochwasser-Notweg fungierte. Dieser war notwendig, weil es in diesem Bereich des Ufers auf Grund der geringen Höhe über dem Normalwasserstand relativ oft zu Überschwemmungen gekommen war.

1904 begann die Umgestaltung des Ufers ab der Traunbrücke. Geplant war in einem ersten Schritt die Verbreiterung samt Errichtung einer Stützmauer nur bis zum Haus Wiesauer (bzw. der heute noch bestehenden Holzbrücke) und in einem zweiten Schritt bis zum Seebahnhof. Darüber hinaus fehlte der Gemeinde das Geld für den Ankauf der für die Aufschüttung notwendigen Grundstücke. Dies wurde erst durch eine namhafte Spende der Sparkasse ermöglicht. Schlussendlich wurde aber die gesamte Aufschüttung samt Errichtung der Stützmauer durchgezogen. Ohne auf weitere Details einzugehen, kann berichtet werden, dass der erste Teil der Schiffslände 1908 (zum 60. Regierungsjubiläum von Kaiser Franz-Josef) und der zweite Teil 1912 eröffnet werden konnte.

Interessant sind folgende Fakten:

  • Vor der Einführung der jetzigen Straßenbezeichnungen und Hausnummern (1890) gab es im Bereich der heutigen Schiffslände folgende Standort-Namen: Am Kalch (einige Häuser an der Schiffslände und in der Weyerstraße), An der Segenbreit (Areal um Parkhotel), Im Gassl bzw. Gassl (Bereich der brückennahen Schiffslände), „Beim Stiegel“ (Nähe Brückenkopf), „Unter den Fischern“ (Schiffslände 5 – 18).
  • Zwischen der „neuen“ Straße direkt am See und jener bestehenden Straße, die vor dem Parkhotel vorbeiführt, war ein Hafen für 50 bis 60 Boote angedacht. 
  •  Neben der Sparkasse spendete auch der Herzog von Cumberland 1911 einen größeren Betrag zur Fertigstellung der neuen Promenade.
  • Die Gewerbetreibenden in Traundorf waren gegen Totalausbau dieser Straßenverbindung, weil dadurch Traundorf wirtschaftlich ausgedünnt würde und weil der Verkehr dann ev. nicht über Klosterplatz-Georgstraße-Linzerstraße liefe.
  • Zur endgültigen Anbindung der Schiffslände an den Brückenkopf musste das „Reingruber-Haus“ (An der Traunbrücke 12) aber erst 1918 von der Gemeinde teuer erworben und abgetragen werden. Dieses Objekt (siehe Foto) stand genau dort am Brückenkopf, wo heute die Schiffslände beginnt und versperrte somit den Zugang/die Zufahrt zu den nachfolgenden Häusern und der heutigen Schiffslände. Zuvor bestand nur ein schmaler Fuß-Weg (ein schmales Gasserl) neben dem Reingruber-Haus als Verbindung dorthin. Die Anschriften lauteten auch „am Gassel“ oder „beim Stiegel“.
  • Die Holzbrücke zum heute noch bestehenden „Erricher-Hafen“ wurde im Zuge des Ausbaues der Schiffslände errichtet, ein weitere Schiffshafen (Wiesauer) wurde zugeschüttet. 
  • Der Erste Weltkrieg verhinderte die Weiterführung der Schiffslände bis ins Weyer.
  • Einige der Häuser an der Schiffslände verfügen über einen Steg. Das Recht dafür stammt vermutlich aus der Zeit der Aufschüttungen dieser Straße.

    Das Reingruber-Haus, ca. 1900

    Ausschnitt aus einem Foto aus Piringer Bd. I, S 545)

    Schlussendlich waren alle Probleme und Diskussionen vergessen: Gmunden bekam eine neue Promenade mit prächtigem Blick auf die Stadt und über den See. Zuerst hieß sie einfach Schiffslände, dann Kaiser-Franz-Josef-Kai und ab 1929 Dr.-Ferdinand-Krackowizer-Kai.

    Die Häuser auf der heutigen Schiffslände 
    Anmerkung: Es wird von den derzeitigen Hausnummerierungen ausgegangen.

    Schiffslände 1Das Gebäude mit der „alten Anschrift“ Schiffslände 1 („Kürschnerhaus“, erstmals 1590 erwähnt, zuletzt Kürschner Grabsky) wurde in den 1960er Jahren im Zuge einer Traunbrücken-Renovierung abgerissen und von 1993 bis 1995 neu (gemeinsam mit der früheren Anschrift Schiffslände 2) wieder aufgebaut. Dort befinden sich heute neben dem Trachtengeschäft Reingruber auch Arztpraxen, ein Zahnlabor und Wohnungen.
    Das ehemalige Haus „Schiffslände 2“ (erwähnt ab 1792, frühere Anschrift u.a. „Im Gassel“ und „Häusel beim Stiegel“) beherbergte die Ordination des praktischen Arztes Rudolf Reingruber und zuletzt jene seines gleichnamigen Sohnes und Zahnarzt.

    Schiffslände 3
    Diese Liegenschaft entstand aus den beiden (ehemaligen) Liegenschaften Schiffslände 3 und 4. Dort sind heute das Steuerbüro Derfler und der Gastronomiebetrieb „Dollmanns“ untergebracht. Vorher waren hier das „Seecafé“ und die Büroräumlichkeiten der Baufirma Ferdinand Stadlmayr.

    Das alte Haus Nr. 3 wird ab 1783 urkundlich erwähnt und hatte die ursprüngliche Bezeichnung „Zweites Häusel beim Stiegel“.

    Das Haus Nr. 4 – „Drittes Häusel beim Stiegel“ oder auch „Im Gassel“ - ist ab 1789 erwähnt und gehörte ab 1850 der Familie Kagerer (Schiffskapitän und Schiffsbauer im Weyer).

    1 = Kürschnerhaus, 2 = Gaigg-Dr. Reingruber, 3 = Math. Reingruber, 4 = Kagerer,
    5 = Oberleitner, 6 = Oberleitner (5+6 bis vor kurzem Raiffeisenbank)

    Aus Schießer, Altgmundner Bilderbuch, S 136

    Zwischen den heutigen Häusern 3 und 5 befindet sich die Hofeinfahrt ins Karmelitinnen-Kloster.

    Schiffslände 5
    Auch dieses Gebäude entstand aus ursprünglich 2 Liegenschaften. Einerseits aus dem ab 1776 erwähnten „Zehnten Haus am Kalch“ und andererseits aus dem ab 1811 erwähnten Objekt „Elftes Haus am Kalch“, das als „Doppelwohnhaus“ in Verwendung war. Beide wurden abgerissen und an deren Stelle ein modernes Haus errichtet. Der Nachfolgebau war bis 2018 der Hauptsitz der Raiffeisenbank. Jetzt ist dort eine Versicherung untergebracht, und es sind darin auch Wohnungen geplant.

    Schiffslände 7
    Als „Zwölftes Haus am Kalch“ wurde dieses Haus im Jahr 1760 erstmals erwähnt. Ab ca. 1914 war die Modistin Walburga Gerhart dort beheimatet. Ab den 1960er Jahren war hier das Trachtengeschäft Beuerle, dann ein Design-Geschäft. Am Nebengebäude ist eine Gedenktafel für den Künstler Anton Gerhart (1879-1944, Holzbildhauer gelernt bei Untersberger, Studium Wiener Kunstakademie) angebracht.

    Schiffslände 8 und 9 und 10
    Haus Nr. 8Haus Nr. 9
    Haus Nr. 10

    Ab 1787/1772 und 1792 sind die Eigentümer dieser drei fast eine Einheit bildenden Häuser namentlich bekannt. Die Häuser wurden als „Dreizehntes, Vierzehntes und Fünfzehntes Häusl am Kalch“ bezeichnet. Das Haus Nr. 9 hatte auch den Hausnamen „Fischer“. Sie wurden in den letzten Jahrzehnten renoviert/aus- und aufgebaut. An der rechten Hausseite des Hauses 10 befindet sich ein Keramik-Bild der „alten Schiffslände aus 1808“.

    Die Häuser 6, 8,9 und 10 hatten früher auf der Rückseite entlang der angrenzenden Klostermauer einen Hochwasser-Notweg bzw. -Ausgang in die Mauergasse!

    Schiffslände 11Das früher dort stehende Haus wurde 1789 erstmals erwähnt, aber 1885 unter der Kunst-Tischler-Familie Wiesauer abgerissen und neu aufgebaut. Die Tischlerei konzentrierte sich auf „gehobene Möbel“ insbesondere Einlegearbeiten aus Metall. Das Haus ist unbewohnt.

    An der Außenwand ist ein Gedenkmedaillon für Friedrich Vischer (1807-1887, deutscher Philosoph und Dichter, der viele Sommer in Gmunden verbrachte und hier gestorben ist) angebracht.

    Schiffslände 12
    Ab dem Jahr 1788 sind von diesem Haus – auch „Greissler-Haus am Kalch“ genannt – die Eigentümer namentlich bekannt. Ab 1866 gehörte es ebenfalls der Kunsttischler-Familie Wiesauer. 1999 hat das Objekt der Kunstmaler Dieter Obermayr erworben und es generalsaniert. Bei der Renovierung wurde eine (zugemauerte) Tür in das Mauergasserl gefunden, wodurch sichtbar wurde, wie tief diese früher gelegen ist. Dieses Haus hat auch einen Hochwasser-Notweg, und zwar über das Grundstück Eisl zur dort befindlichen Straße

    Schiffslände 14Die Rückseite dieses Hauses

    Als „Sechzehntes Haus am Kalch“ wurde dieses Haus erstmals 1884 genannt. Es ist seit 1899 im Besitz der Bäckerfamilie Eisl. Die Zufahrt für dieses Haus – genauso wie zu Nr. 15 und 16 – erfolgt über eine separate Gasse, die direkt am Parkhotel vorbei verlief.

    Schiffslände 15Ab 1792 ist die Fischer-Familie Erricher Eigentümer dieses „siebzehnten Haus[es] am Kalch samt Fischen“. Zu diesem Objekt gehört die kleine Hafenanlage mit einer Zufahrt unter der Holzbrücke.  Das Objekt wurde in letzter Zeit stark renoviert/ausgebaut und gehört einer Familie Adler.

    Schiffslände 16Die sog. Villa Sikhartsburg um 1900, später Villa Brunner
    Ausschnitt aus Foto in Spitzbart Ansichten II, S 61

    Der Neubau der Familie Kepplinger an dieser Stelle

    Bei diesem „Häusel und Hofstatt am Kalch“ sind ab 1761 die Eigentümer bekannt. Ab 1852 gehört es der Adelsfamilie von Sikhartsburg, anschließend dem Hoftheater-Agenten Holding, der Familie der Gräfin Chorinsky, dem Fürsten Radziwill und schließlich der Familie Dr. Brunner. Dort wohnte während ihrer Aufenthalte in Gmunden von 1892 bis 1980 die Tochter des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. Herzogin Viktoria Luise. Das Haus wurde vor einigen Jahren abgerissen und durch einen modernen Neubau der Familie Kepplinger ersetzt.

    Schiffslände 17
    Foto aus dem Jahr 1912
    Quelle: /facebook/Vogl/25-2-2021

    Bereits 1625 wird Tobias Mayr, der spätere Bauernführer, als Eigentümer dieser Liegenschaft genannt. Seit 1677 wird es als „Stadtbräuhaus“ geführt, und nach einem Brand ab 1844 von der Bräuerfamilie Forstinger gekauft, aufgebaut und weiter geführt. Seit 1873 war es als „Hotel Laufhuber“, ab 1880 als „Parkhotel Mucha“ in Betrieb und gehörte ab ca. 1923 der Hoteliersfamilie Holzinger. 1959 brannte der Dachstuhl ab und wurde anschließend in nur 10 Wochen wieder betriebsbereit aufgebaut. Nachdem es bereits einige Jahre nicht in Betrieb gewesen war, wurde das Hotel 2008 abgerissen. 

    Schiffslände 18
    Foto entnommen aus: Herrmann Gmundner Chronik Bd. II, S. 516

    Dieses Foto zeigt das  seit 1871 am Ende der Schiffslände stehende  Stationsgebäude Seebahnhof der Eisenbahnlinie Gmunden – Lambach. Es bildete auch optisch den Abschluss der Schiffslände. Der Bahnhof wurde 2010 abgerissen. Seebahnhof ist jetzt eine Haltestelle der Stadt-Regio-Tram (siehe dort), allerdings auf der gegenüberliegenden Seite der Traunsteinstraße.

    Kriegerdenkmal
    Dieses Denkmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege wurde nach einem Entwurf von Dipl.-Ing. Helmut Stark von den heimischen Steinmetz-Betrieben im Seebahnhof-Park errichtet und im Juni 1954 eingeweiht.
    Einweihung Kriegerdenkmal 1954
    Aus Schießer, Altgmundner Bilderbuch, S 141

    Ausblick

    Bereits 1974 war auf dem Areal des Seebahnhofes ein Hotelprojekt (Holiday-Inn) gescheitert.  Seit Jahren bestehen wieder Bemühungen, das Areal des Parkhotels unter Einbeziehung von Teilen des ehemaligen Seebahnhofes-Areals für ein Hotelprojekt zu nutzen. Die bisherigen Versuche und Pläne scheiterten aus unterschiedlichsten Gründen. Derzeit ist die Stadtgemeinde neuerlich und intensiv darum bemüht, das zwischenzeitlich ihr gehörende Gesamtareal unter der Bezeichnung „See-Viertel“ sinnvoll“ mit Hotel und Wohngebäuden zu entwickeln. Die Planungen dafür laufen auf Hochtouren. Das Gesamtareal ist dzt. nicht „stilvoll“. 2024 – dem Jahr der „Kulturhauptstadt“ - sollte die Neubebauung abgeschlossen sein. Ein Foto aus der öffentlichen Projektpräsentation dafür schließt diesen Bericht, in dem versucht wurde, die Entwicklung der Schiffslände ab ca. 1900 darzustellen, ab. 

    Dieser Bericht wurde  von Günther Stadlmayr im März 2021 zusammengestellt.

    Folgende Literatur wurde verwendet:
    Höllwerth, Holger, unveröffentlichtes Manuskript „Schiffslände“
    Krackowizer, Ferdinand, Geschichte der Stadt Gmunden, Band IV (Häuserchronik)
    Piringer, Karl, Gmundner Chronik, Band I
    Herrmann, Erwin, Gmundner Chronik I und II
    Spitzbart, Ingrid, Gmunden in alten Ansichten, Bd. II, 1993
    Schießer, Heinz Altgmundner Bilderbuch, 2014
    Internet (facebook: Vogl Hubert, doris.at (Urmappe und Katastralmappe)
    Gmundner Taschenbuch, Musealverein Gmunden, 2007
    Marchetti, Heinrich, Gmunden 1900-1918 Anhang in Piringer K, Gmundner Chronik, Band I

    Fotos:
    soweit nicht anders angegeben: Günther Stadlmayr