NS-Opfermahnmal

Ausschnitt aus der auf dem Foto etwas vergrößerten NS-Opferleiste mit den Namen zweier Opfer

Entstehungsgeschichte
Den Anstoß zur Errichtung dieses Mahnmals verdankt die Stadtgemeinde zwei Gmundner Bürgern: General a. D. Hubertus Trauttenberg, bekannt als Adjutant von Bundespräsident Thomas Klestil, mutiger Befürworter der "Wehrmachtsausstellung" und Co-Initiator des Lern- und Gedenkortes Schloss Hartheim, sowie Mag. Holger Höllwerth, Historiker, AHS-Lehrer i. R. und Autor mehrerer zeitgeschichtlicher Werke über seine Heimatstadt. Sie konnten anfängliche Bedenken ausräumen und die Stadtpolitik von der Notwendigkeit und Wichtigkeit dieses Projektes überzeugen.
2020 fiel im Gemeinderat der Beschluss, ein Mahnmal zu errichten und dafür einen Künstler/-innen-Wettbewerb auszuschreiben.
Die Stadt hielt einen geladenen Wettbewerb ab, aus dem der Gmundner Architekt und HTL-Lehrer Dipl.-Ing. Kurt Ellmauer als Sieger hervorging.
Ellmauers Mahnmal besteht aus ein Bronzeblechband mit den 60 Namen der Getöteten über glitzernden Traunseewellen. Ein QR-Code führt BetrachterInnen zu den auf der Website der Stadt hinterlegten Biografien und Fotos der Opfer. Deren Zahl und Lebensgeschichten hat Holger Höllwerth genau recherchiert. Das Denkmal ist links und rechts um neu recherchierte Namen erweiterbar.

Urteilsbegründung der Jury vom Februar 2022:

An Kurt Ellmauers Arbeit überzeugt ihre Klarheit, Schlichtheit und Unaufdringlichkeit. Im aktuellen internationalen Kunst-Kontext ist diesen Qualitäten gegenüber einer monumentalen, skulpturalen Lösung, die auf Wucht oder gar die Abbildung geschundener Körper setzt, der Vorzug zu geben.  Ellmauers Mahnmal für alle Gmundner Opfer des Nationalsozialismus korrespondiert auf ideale Weise mit der Umgebung. Alle Aufmerksamkeit gehört den Namen der Ermordeten, die über der Ufer-Brüstung in der Nachmittagssonne aufleuchten. Diese Menschen bleiben für die Nachwelt präsent, und doch verflüchtigen sich ihr Leben und Leiden angesichts der oben abgefrästen Buchstaben im Glitzern der Traunsee-Wellen.
 Diese eindringliche poetische Wirkung bedarf keiner langen Erläuterung. Sie entfaltet sich für nahezu alle Einheimischen und Gäste, die die Esplanade, die attraktivste und am häufigsten frequentierte Meile Gmundens, entlang spazieren
.

Mitglieder der Jury waren: Mag.a Hannah Lessing (Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich, Wien), Dr.in Elisabeth Fiedler (Chefkuratorin und Leiterin des Institutes für Kunst im öffentlichen Raum, Museum Ioanneum, Graz), Dr. Gregor Holzinger (Leiter der Forschungsstelle des Mauthausen Memorial), Dr. Wolfgang Quatember (Leiter des Zeitgeschichtemuseums Ebensee) und Dr. Andreas Hecht (Vorsitzender des Kulturausschusses der Stadt Gmunden)
Weil es zu Lieferproblemen des Spezialmetalls aus Norddeutschland kam, konnte das Bronzeband erst im Dezember 2022 an der Seeseite der Kaimauer montiert werden. Bauausführung und Montage erfolgten durch Schlossermeister Manuel Kreuzer, Edelstahldesign und Metallbau, Ohlsdorf.
Montage der Namensleiste an der 
seeseitigen Kaimauer des Herrmann-Kais
im Hintergrund Dipl.-Ing. Kurt Ellmauer
Foto: Stadtgemeinde

Enthüllungsfeier
Wegen der Corona-Pandemie verzögerte sich die Umsetzung des Projektes erheblich. Aber am 31. März 2023 konnte doch die Enthüllung des NS-Opfermahnmals am Herrmann-Kai auf der Esplanade erfolgen. Diese bildete den Abschluss einer würdigen rund einstündigen Feier.
Daran nahmen neben Landeshauptmann Thomas Stelzer, Vertretern der politischen Parteien aus Land und Stadt sowie etwa 150 Menschen aus der Bevölkerung teil, denen dieses Thema ein Anliegen ist. Als besonderen Ehrengast konnte Bürgermeister Stefan Krapf Frederic Rujder begrüßen, der mit seiner Tochter aus Frankreich angereist war: Er ist Nachkomme einer jüdischen Gmundner Unternehmerfamilie, die vom Nazi-Terror schwer getroffen wurde. Weitere Ehrengäste waren die Initiatoren des Mahnmals, Hubertus Trauttenberg und Holger Höllwerth, sowie der Gestalter der Opferleiste DI Kurt Ellmauer.
In seiner Begrüßungsansprache bedankte sich Bürgermeister Stephan Krapf ausdrücklich bei den beiden Initiatoren und zeigte sich froh, dass dieses Projekt nun "Gott sei Dank" zum Abschluss gekommen sei.
Kulturreferent Andreas Hecht machte den Standort des Mahnmals zum Thema: Das Mahnmal befindet sich direkt an der Esplanade mit Blick auf Traunstein und Traunsee. Und dieser Blick über den See und zu den Bergen sei sicher auch für die Opfer wichtig gewesen: Jeder von ihnen sei sicher einmal hier gewesen, habe die Aussicht genossen - und später Trauer und Verzweiflung erlebt. Mit Verweis auf das Zitat des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer: „Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht“ appellierte er an die Verantwortung eines jeden einzelnen.
Hannah Lessing vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialmus mit dessen maßgeblicher Förderung das Mahnmal errichtet wurde, strich heraus, dass man sich gern an das Schöne erinnert, das andere aber verdrängt. Die Gesellschaft müsse sich nun den Nachwirkungen dieses langen Stillschweigens stellen, so Lessing. Durch die Namen auf dem neuen Mahnmal seien die Namen der Ermordeten nun mit Gmunden verbunden.
Besonders berührend war die Rede von Frederic Rujder. Er dankte zuerst den Verantwortlichen für die Errichtung des Mahnmals. Er erinnerte daran, dass es auch heute nicht für alle selbstverständlich ist, frei leben zu können. Er erzählte vom Schicksal seiner Familie, die über Generationen in Gmunden ansässig war und in der Theatergasse zwei Geschäfte betrieb. Im Jahr 1940 gelangen Rujders Eltern und ihm eine verzweifelte Flucht nach Frankreich, die Großmutter wurde in Auschwitz getötet, sein Vater starb 1945 als Mitglied der Resistance. Jeder kann am Kampf gegen das Vergessen mitwirken, so Rujder, der seiner Freude über die Errichtung des Mahnmals Ausdruck verlieh. Sein Resümee: Man müsse sich auch mit dunklen Aspekten der Geschichte auseinander setzen - gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen, in denen Krieg und Gewalt immer noch zur Gegenwart gehören, betonte Krapf in seinen einleitenden Worten. Das Mahnmal sei ein Zeichen, dass Gmunden für Werte wie Toleranz, Solidarität und Nächstenliebe steht, Gewalt und Ausgrenzung ablehnt und am Kampf gegen das Vergessen mitwirken will.
Wenige, aber dafür umso eindringlichere Worte fand Landeshauptmann Thomas Stelzer. Dabei erinnerte an die unermessliche Grausamkeit der NS-Herrschaft: „Oberösterreicher waren nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Es ist damals sehr schnell gegangen, dass aus Menschen Unmenschen wurden“. Ein Gedenken, das aus anonymen, namenlosen Opfern durch die Namensnennung wieder Menschen macht, sei ein beredtes Zeichen, meinte er mit Verweis auf das neue Gmundner Mahnmal.
Unter dem Titel „Warum es gut ist, dass nicht endlich Ruh ist“ verwies der Grünauer Autor René Freund in seiner Rede auf die Bedeutung der Würde, die auch in der Carta der Menschenrechte festgelegt ist: „Zuerst kommt die Entwürdigung, dann der Mord“, so Freund. Er erinnerte daran, dass es auch im heutigen politischen Diskurs zu einer gefährlichen Entwürdigung anderer kommt. „Ruhe“ könne nur sein, wenn wir einen Platz in der Erinnerung für die Opfer schaffen.
Eindrucksvoll war die Uraufführung des von der Gmundner Künstlerin Michaela Schausberger eigens komponierten Werks „Sine Nomine“. Zu hören waren, neben der Künstlerin selbst, auch Johann Gstöttner auf der Viola, Sängerin SodL und Schülerinnen der GymCompany des BG Gmunden, die die Namen der Getöteten als Sprechchor intonierten.
Die anschließende Enthüllung des Mahnmals übernahmen Landeshauptmann Thomas Stelzer, Bürgermeister Stefan Krapf, Hannah Lessing und Frederic Rujder.
Landeshauptmann Stelzer enthüllt gemeinsam mit Bürgermeister Krapf die NS-Opferleiste
Fritz/Frederic Rujder bei seiner auf Französich gehaltenen Ansprache
Auf dem Foto von links: Landeshauptmann Stelzer Nelly und Fritz/Frederic Rujder sowie Hanna Lessing, die die Rede ins Deutsche übersetzte
Die Ehrengäste der Eröffnungsfeier (v. l. n. r.): Landtagspräsidentin Sabine Binder, Landeshauptmann Thomas Stelzer, Nelly Rujder mit ihrem Vater Fritz Rujder, Hannah Lessing, die Generalsekretärin des Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus, Bürgermeister Stefan Krapf, Kulturreferent Andreas Hecht, Historiker Holger Höllwerth, Mahnmal-Schöpfer Kurt Ellmauer und General a. D. Hubert Trauttenberg.
Schülerinnen des BG/BRG Gmunden tragen die 
Namen der 60 Gmundner Mordopfer vor.

Link zum YouTube-Video von TV1
https://www.youtube.com/watch?v=kb9hC_78sgA

Auf dem direkt am Gmundner Traunseeufer seeseitig angebrachten Bronzeblechband befinden sich die ausgeschnittenen Namen von 60 im Nationalsozialismus getöteten Gmundner Opfern. Es sind dies die Namen von 25 Jüdinnen und Juden, von 19 Euthanasieopfern und von 16 politisch Verfolgten. Ein QR-Code führt die Betrachter zu einer Website der Stadt, auf der die Biografien und etliche Fotos der Opfer zu finden sind. Da die Opferleiste unspektakulär ist und nicht sofort auffällt, wird demnächst an der Kaimauer noch eine Extra-Tafel angebracht.
So sieht die von der Jury als "unspektakulär" bezeichnete NS-Opferleiste im Nebel aus.
Foto: Holger Höllwerth

Link zu den Opferbiografien:
http://www.gmunden.at/wp-content/uploads/2023/03/Opfer-Biografien%C2%A9Holger-Hoellwerth.pdf

Kommentar von  Josef Aigner,
dem besonders umsichtigen Betreuer dieses Projektes

In Gmunden herrschte lange ein Ungleichgewicht in der Gedenkkultur. Dem großen Kriegerdenkmal am Seeufer, dem monumentalen Stalingrad-Denkmal auf dem Hochkogel, dem Denkmal an der Außenmauer der Pfarrkirche und dem Kriegsgräber-Areal auf dem Stadtfriedhof stand nur ein bescheidener Gedenkstein für ein paar wenige politische Opfer des NS-Regimes auf dem Stadtfriedhof gegenüber. Der dortige winzige jüdische Friedhof ist zwar gepflegt, aber abgesperrt.
Gmundens NS-Historie endete nicht 1945. Hier existierte der "Gmundner Kreis" zum außer Landes Schleusen von NS-Kriegsverbrechern, hier wurde 1991 Walter Reder, der "Schlächter von Marzobotto", mit einem Neonazi-Aufmarsch begraben, hier rekrutierte Gottfried Küssel jene VAPO-Gruppe, die 1992 einen Brandbombenanschlag auf ein Flüchtlingsasyl im nahen Traunkirchen verübte.
Für ein NS-Opfer-Mahnmal ist es auch 80 Jahre "danach" nicht zu spät. Nachdem fast alle Zeitzeugen und Überlebenden gestorben sind und Zeitgeschichte zur Geschichte wird, darf dieses Menschheitsverbrechen nicht vergessen werden. Warum? Auch 2023, im Jahr der Enthüllung dieses Mahnmals, galt unverändert Berthold Brechts Satz: „Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch.“

Bis auf eines alle Fotos: © Rudolf Gigler, Stadtgemeinde Gmunden / Aigner

Verfasser: Holger Höllwerth, April 2023